Dosenwunder – Teil 1 – abgesoffen

Geocacher-Cocktail

Ich behaupte mal, dass jeder Geocacher, der schon ein paar Funde gemacht hat, von einer abgesoffenen Dose berichten oder zumindest über ein feuchtes Schimmel ansetzendes Logbuch klagen kann.

Bei denen mit ordentlich Wasser drin liegt es meistens an dem für das Versteck und die dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen ungeeigneten Behältnis. Ich erinnere mich da z.B. an Regenwasser ausgesetzte schwarze Filmdosen, Kunststoff-Versandrohre mit nicht auf Dichtheit ausgelegtem Schraubverschluss (Foto) oder Dosen aus Kunststoff, der bei Kälte oder über die Jahre brüchig wird.

nach drei Jahren draußen

Oder aber die Dose wurde von Geocachern oder Muggeln nicht wieder so verschlossen, wie das für die Dichtheit erforderlich wäre, z.B. Deckel nur leicht zugedreht, einen Klickverschluss vergessen einzuhaken, Dreck oder Teile vom Doseninhalt auf der Dichtung. Dann kann (muss aber nicht) Wasser aus der Umgebung eindringen oder die Luftfeuchtigkeit kann dauerhaft auf den Doseninhalt einwirken.
Und dann gibt es Geocachebehälter, die an augenscheinlich trockenen Orten liegen, vermutlich immer ausreichend gut verschlossen wurden (man weiß es ja nicht genau) oder noch gar nicht lange draußen sind. Aber deren Logbuchseiten sind dennoch gammlig feucht und/oder von Rost der Tackerklammern hässlich verfärbt.

Wie kommt sowas?

Das fragte ich mich schon bei meinem zweiten Geocache, den ich per Adoption übernommen hatte, nachdem sich der Owner wegen Wegzugs nicht mehr um die wiederholt abgesoffene Filmdose kümmern konnte. Sie war in Bachnähe an einem regen- und spritzwassergeschützen Ort angebracht – ganz klassisch mit einem Magneten unter einem Geländer-U-Profil. Aber – und jetzt kommt’s – der Magnet war innenliegend mit Heißkleber befestigt. Diese Variante traf man ja vor einiger Zeit noch recht häufig an. Der Magnet (nicht Neodym) war gerostet und die Logstreifen nach kurzer Zeit patschnass und verschimmelt.
Mit meinem Schulausgangsphysik-Allgemeinwissen schwante mir etwas. Nach einem erneuten Logstreifenwechsel mit gleichem Ergebnis stieg ich um auf einen PETling mit außenliegenden Neodym-Magneten. Und das Problem war gelöst – fast. Das selbst gebastelte Streifenlogbuch war nach ein paar Monaten wieder etwas feucht und an der Klammerstelle rostverfärbt.
Von da an war es klar: An jeglichen Metallelementen in der Dose, und sind sie auch noch so klein, kann Luftfeuchtigkeit kondensieren und das Papier saugt die Wassertröpfchen auf.
Neulich ist mir beim Öffnen einer Filmdose sogar der Fotobeweis gelungen:

Kondensat an Tackerklammer

Und dann kommt der Rost

Nun hatte ich eigentlich vor, in diesem Artikel die physikalischen Vorgänge, die dazu führen, kurz und verständlich zu beschreiben. Aber so einfach ist das doch nicht, wenn man nicht gerade Physik im Fachgebiet Thermodynamik (vermute ich mal) belegt hat.

Zunächst mal zwei Begriffe:

  • Kondensation ist der Übergang eines Stoffes (hier Wasser) vom gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand.
  • Der Taupunkt, auch die Taupunkttemperatur, ist diejenige Temperatur, die unterschritten werden muss, damit der Wasserdampf in der Luft zu Wasser kondensiert. Man sagt auch, die Luft ist mit Wasserdampf gesättigt. Bei trocken-kalter Luft ist der Taupunkt niedriger als bei feucht-warmer.

Wenn man sich eine Geocachingdose mal wie einen Raum in einem Gebäude vorstellt, dann beschreibt der folgende Text von der Seite http://www.baunetzwissen.de den Vorgang recht gut:

Sobald die Oberflächentemperatur eines Bauteils niedriger ist als die Taupunkttemperatur der angrenzenden Luft, schlägt sich Tauwasser nieder. Z.B. wenn ein Raum ungenügend beheizt wird, die Raumluftfeuchte zu hoch ist oder in einen kühlen Raum warme, feuchte Luft aus umgebenden Räumen einströmt. Eine Ursache für den Tauwasserausfall ist in der thermischen Unterdimensionierung (Anm. z.B. Dämmwert) des betrachteten Bauteils zu finden; ein anderer Grund liegt in der thermischen Trägheit von Baustoffen und der verhältnismäßig schnellen thermischen Veränderung der umgebenden Luft.
Die Oberflächentemperatur eines Bauteils ist abhängig von d
en Wärmeübergangs- und Wärmedurchlasswiderständen, der Temperatur der angrenzenden Luftschichten und dem Wärmeschutz des Bauteils.
Der Feuchtegehalt der Raumluft ist […] eine wichtige Größe bei der Tauwasserbildung.

Einiges davon lässt sich nun auf die gemeine Dose übertragen:

Sobald die Oberflächentemperatur eines Objekts (z.B. Magnet oder Tackerklammer) in der Dose niedriger ist als die Taupunkttemperatur der Luft, die in der Dose vorhandenen ist oder beim Öffnen einströmt, tritt Kondenswasserbildung auf.
Die Luft muss einen gewissen Feuchtegehalt haben (Regenwetter, Gewässernähe, schwüle Sommerluft, Nebel, feuchter Atem des Geocachers). Kalte und trockene Winterluft ist also weniger das Problem.
Entweder ist die einströmende Luft etwas wärmer, als die vorhandene, oder die Luft in der Dose wird durch irgendetwas erwärmt.
Die Oberflächentemperatur des Objektes ließe sich durch „Mirco“-Dämmung, z.B. mit Klebeband, Kunststoffüberzug oder Versiegelung mit Heißkleber, beeinflussen.

Aber warum ist die Oberflächentemperatur eines Metallobjekts so entscheidend und eine Zeit lang kälter als die umgebende Luft, so dass es zur Kondenswasserbildung kommen kann? Meiner Meinung nach spielen die drei folgenden physikalischen Eigenschaften bei den mikroklimatischen Vorgängen in einer Dose die wichtigsten Rollen:

Wärmekapazität

Die Wärmekapazität eines Stoffes ist die Energie in Kilojoule (kJ), die benötigt wird, um 1 kg dieses Stoffes um 1 K zu erwärmen.

Kleinbiotop – da möchte keiner mehr …

Ein paar relevante Beispiele für Wärmekapazitäten:

  • Aluminium: 0,896
  • Eisen: 0,452
  • Kupfer: 0,382
  • Luft: 1,005

Die Werte bedeuten zwar, dass Luft schwerer zu erwärmen ist, aber es bezieht sich ja auf jeweils 1 kg des Stoffes.
Kleines Rechenbeispiel: In einem „Standard“-PETling von 14cm Länge befinden sich maximal 0,33 ml Luft. Das sind dann so in etwa 0,04 g. Ist ein getackertes Logbuch drinnen, was der Normalfall sein sollte, dann sind es vielleicht nur noch 0,026 g oder weniger. Eine handelsübliche Tackerklammer aus Metall wiegt zwischen 0,018 g und 0,05 g.
Es ist also schon eine Frage des Verhältnisses von Dosenluftvolumen und Metallmenge. In kleinen Dosen mehr, als in größeren. Und bei einem Magneten in einer Filmdose erst recht. Da erwärmt sich die Luft schneller als das Metall.

Wärmeleitfähigkeit

Nach [Wikipedia_1] ist „praktisch gesehen die Wärmeleitfähigkeit, auch Wärmeleitkoeffizient genannt, die Wärmemenge (in Wattsekunde, Ws), die in 1 s durch eine 1 m dicke Stoffschicht der Fläche 1 m2 fließt, wenn der Temperaturunterschied 1 K ist.“ Die Einheit ist Watt pro Meter und Kelvin. Hier ein paar Werte:

  • Stahl: 50
  • Eisen: 80
  • Kupfer: 300
  • Luft: 0,0262
  • Kunststoffe: 0,2

Metalle sind gute Wärmeleiter, Luft ist ein schlechter. Das ist auch der Grund, warum sich Metall kälter anfühlt, obwohl es das in vielen Fällen nicht ist. Die Wärme der Finger wird schneller abgeleitet.

Wärmeübergangskoeffizient

Der Wärmeübergangskoeffizient beschreibt die Intensität des Wärmeübergangs an einer Grenzfläche zwischen zwei Stoffen. Er ist definiert als die Wärmemenge, die bei ruhender Luft und einem Temperaturunterschied von 1 Kelvin (zwischen Luft und Bauteiloberfläche) über eine Fläche von 1 m² innerhalb von 1 Sekunde übertragen wird (W/(m2 · K)). (nach [Wikipedia_2])

Papier in Micro-Tubes – nach spätestens ein paar Monaten nass

Beispiele aus dem Internet:
Luft senkrecht zur Metallwand 3,5 bis 35
Luft zu Kunststoff 0,35

Der Kehrwert des Wärmeübergangskoeffizienten ist übrigens der oben erwähnte Wärmeübergangswiderstand.

Der Wärmeübergangskoeffizient „hängt unter anderem ab von der spezifischen Wärmekapazität, der Dichte und dem Wärmeleitkoeffizienten des wärmeabführenden sowie des wärmeliefernden Mediums. […]“ Er „ist im Gegensatz zur Wärmeleitfähigkeit keine Materialkonstante, sondern – im Falle einer Umgebung − stark abhängig von

  • der Strömungsgeschwindigkeit v bzw. der Art der Strömung (laminar oder turbulent),
  • den geometrischen Verhältnissen und
  • der Oberflächenbeschaffenheit.“ [Wikipedia_2]


Die Ausführungen zeigen, dass es hier komplexe Zusammenhänge und vielfältige Abhängigkeiten gibt. Auch ohne diese komplett zu begreifen oder exakt durchzurechnen, sollte es doch hoffentlich etwas verständlicher geworden sein, warum Metall in einer Geocachingdose sehr häufig zu feuchten Logbüchern und den Folgeerscheinungen führen kann.

Was kann man als Geocache-Owner tun, um das zu vermeiden?

  • Mit Kunststoffschrauben und -muttern habe ich gute Erfahrungen gemacht

    Zum Binden der Logstreifen oder Logbücher keine Tackerklammern, Versandklammern, Buchschrauben oder ähnliches verwenden. Stattdessen eigenen sich Kunststoffschrauben, Fadenheftung (wie früher, als die Bücher noch mit Nadel und Faden gebunden wurden) oder möglicher Weise andere Kunststoff- oder Klebebindungen.

  •  Wenn sich Metallelemente nicht vermeiden lassen, dann diese möglichst mit Klebeband (Panzertape, Gewebeband) isolieren.
  • Magneten außen am Behälter anbringen.
  • Keine Eisenschrauben durch die Dosenwand ins Innere führen. Wenn es keine andere Befestigungsmöglichkeit gibt, dann auch hier Kunststoffschrauben verwenden.
  • Verwendung von wasserfestem Papier bei metallenen Behältern, wie z.B. Micro-Tubes, Schraubenattrappen oder Nanos. Aber da das Papier meist etwas dicker ist, werden die Logstreifen noch kürzer, als sie ohnehin schon sind.
  • Bei größeren Metallbehältern, wie Munitionsboxen oder Blechdosen, den Inhalt (nicht den Behälter) in eine oder mehrere Zippertüten packen. Z.B. Logbuch und Stift in eine, Tauschgegenstände in eine zweite.
  • In Dosen, in die auch Travelbugs und Coins passen, könnte man zum Schutz wenigstens das Logbuch in eine kleine Zippertüte packen. Sie sollte aber von den Maßen deutlich kleiner als die Dose selber sein, um das Risiko zu verringern, dass sie beim Schließen der Dose in die Dichtung eingeklemmt wird. Und man sollte nicht erwarten, dass das Logbuch immer in die Tüte gepackt wird. Bei Wartungsbesuchen ist ein Ersatzexemplar mitzuführen, denn auch die stabilsten Zippertüten gehen schnell kaputt.
  • Man kann versuchen, mit Trockenmitteltütchen, wie sie häufig Schuhen, Lederwaren, Kleidung und Elektronik beiliegen, die Luftfeuchtigkeit in der Dose oder der Zippertüte zu reduzieren. Man sollte hier aber nur das unbedenkliche Silicagel verwenden. Linktip: http://www.n-tv.de/wissen/frageantwort/ozu-sind-die-Silikagel-Beutel-gut–article12966776.html
  • Es soll ja immer noch Owner geben, die ihren Geocaches in der Erstausstattung einen Stift beilegen. Dieser sollte dann nicht aus Metall sein.
  • In großen TB-Hotels für die Travelbugs nochmal ein eigenes Behältnis bereitstellen.
  • Den Versteckort so auswählen, dass der Geocache nicht direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist.

Vielleicht hilft es ja und man muss seltener das Logbuch oder den Logstreifen wechseln. Und die Geocacher haben mehr Freude an deinem Cache.

In diesem Sinne. Macht was draus(sen)!


[Wikipedia_1]    Seite „Wärmeleitfähigkeit“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. Februar 2017, 09:46 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=W%C3%A4rmeleitf%C3%A4higkeit&oldid=162215351 (Abgerufen: 7. Februar 2017, 21:08 UTC)

[Wikipedia_2]    Seite „Wärmeübergangskoeffizient“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. Dezember 2016, 15:40 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=W%C3%A4rme%C3%BCbergangskoeffizient&oldid=160538751 (Abgerufen: 7. Februar 2017, 21:12 UTC)

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